Agnes Miegel: Die Mär vom Ritter Manuel (1907)
[ich weiß, die Ballade ist lang, aber sie ist es zweifellos wert, ihr ein paar Minuten Zeit zu widmen]
Das ist die Mär vom Ritter Manuel,
Der auf des fremden Magiers Geheiß
Sein Haupt in eine Zauberschale bog,
Und als er's wieder aus dem Wasser zog,
Da seufzte er und sprach: "Mein Haar ist weiß,
Gebrochen meine Kraft. O allzulange
Qualvolle Wanderschaft!" Die Höflingsschar,
Die ringsum stand, rief: "Dunkel ist dein Haar,
Frage den König!"
.................................Staunend sprach und bange
Da der Verzauberte: "O Herr, die Zeit
Ist hold und spurlos dir vorbeigeglitten!
Als ich vor zwanzig Jahren fortgeritten,
warst du wie heut. An dem gestickten Kleid
Trugst du den Gürtel mit den Pantherschließen
Und an der Hand den gleichen Amethyst."
"Erzähle", sprach der Fürst und sprach's voll List,
"Was dir begegnet, seit wir uns verließen!"
Der Arme sann, und seine Augen waren
Wie Kinderaugen, noch vom Traum befangen.
"König, ich bin so weit von euch gegangen,
So vieles sah ich! Und in späten Jahren,
An dunklen Wintertagen und in schwülen
Hochsommernächten will ich dir erzählen
Von allem. Und vor deinen stillen Sälen
Soll meines bunten Lebens Brandung spülen.
Nur jetzt noch laß mich schweigen.
................................................................ Denn ein Gram
Durchrüttelt mich, den nie ein Mensch gekannt.
Sieh, ich verließ mein Weib in jenem Land,
Und weiß es nicht mehr, welchen Weg ich kam,
Und weiß den Namen jenes Landes nicht,
Wo sie im Fenster kauernd, kinderschmal,
Aus dem Kastell hinabspäht in das Tal,
Bis jäh die Felsen glühn im Abendlicht
Und jäh erbleichen. Durch das samtne Dunkel
Der Nacht strahlt freundlich einer Ampel Schein,
Und Führer meiner Wanderschaft zu sein,
Und purpurn glänzt wie ein Rubingefunkel
In ihrem Licht des Bergstroms dunkle Flut.
Sein Name nur? Sehr seltsam klang er, wie
Der Felsen Name, uralt wie auch sie.
Und jene Frau, die mir im Arm geruht, --
Weh, meine Liebe kann sie nicht mehr rufen,
Der süße Laut entglitt mir, wie im Tann
Dem Schlafenden entglitt der Talisman,
Den sie mir umhing auf des Schlosses Stufen!"...
Dann schrie er auf und hielt des Königs Knie
Wie ein um Hilfe Flehender umklammert.
Der sprach, -- und er war bleich und ernst -- : "Mich jammert
Der Qual des armen Narrn, die zu mir schrie.
Magier, tritt vor! Zerbrich des Zaubers Bann!"
Der König wartete. Die Diener liefen
In allen Gängen hin und her und riefen,
Die Ritter sahn sich groß, verwundert an.
Denn keiner fand den Magier. Einge schwuren,
Sie hätten an dem Springbrunn ihn gesehn
Murmelnd die goldne Zauberschale drehn, --
Doch in dem Sande sah man keine Spuren.
Und wie die Stürme auf dem hohen Meer
Das längstverlaßne Wrack des Seglers jagen,
So trieb durch Jahre voller Sorg und Fragen
Erinnerungsqual den Grübelnden umher,
Bis ihn beim Jagen einst ein fremd Geschoß,
Vielleicht aus Mitleid, in die Schläfe traf.
Still wie ein Kind sank er ins Moos zum Schlaf
Und stammelte, eh er die Augen schloß:
"Tamara!" Und er starb.
...........................................Die Zeit verrann.
Doch einmal abends klang im Hof Geklirr
Von vielen Waffen, und ein bunt Geschwirr
Landfremder Sprachen. Und ein brauner Mann,
Sehr alt und fürstlich, dessen welke Hand
Auf seidnem Kissen trug der Herrschaft Zeichen,
Trat vor den König wie vor seinesgleichen
Und rief: "Wo ist, nach dem wir ausgesandt,
Mein König Manuel, Tamaras Gatte,
Den sie in ihrem Felsenschloß beweint?
Westwärts ging ich, soweit die Sonne scheint,
Bis ich zu deinem Reich gefunden hatte.
Hier, sprach der sternenkundige Magier, werde
Ich meinen Herren finden. -- Weise mich,
Daß ich ihn krönen kann!"
.............................................. Da neigte sich
Der König still, griff eine Handvoll Erde
Aus einer Schale, drin die Rosen blühten,
Und wies sie stumm dem Suchenden.
......................................................................Der stand
Ganz lange still. Dann schlug er sein Gewand
Weit um den Kronreif, dessen Steine sprühten,
So schritt er aus dem Saal.
.................................................. Ein Klaggesang
Kam langgezogen, trostlos durch die Nacht.
Dann ein Geklirr und Hufgetrappel, sacht
Und langsam, -- bis auch das im Sturm verklang.
In jener Nacht, bei seiner Kerzen Qualmen
Saß lang der König auf. Sein Page schlief
Und schrak empor, denn eine Stimme rief:
"Sieh, keine Antwort find ich in den Psalmen!
Erbarmer aller Welt, sprich: was ist Schein?"...
Und lange vor dem Kruzifixe stand
Der König starr, mit ausgestreckter Hand. --
So sagt der Page. Doch er ist noch klein,
Furchtsam und hat den Kopf voll Märchenflausen...
Das ist die Mär vom Ritter Manuel,
Der auf des fremden Magiers Geheiß
Sein Haupt in eine Zauberschale bog,
Und als er's wieder aus dem Wasser zog,
Da seufzte er und sprach: "Mein Haar ist weiß,
Gebrochen meine Kraft. O allzulange
Qualvolle Wanderschaft!" Die Höflingsschar,
Die ringsum stand, rief: "Dunkel ist dein Haar,
Frage den König!"
.................................Staunend sprach und bange
Da der Verzauberte: "O Herr, die Zeit
Ist hold und spurlos dir vorbeigeglitten!
Als ich vor zwanzig Jahren fortgeritten,
warst du wie heut. An dem gestickten Kleid
Trugst du den Gürtel mit den Pantherschließen
Und an der Hand den gleichen Amethyst."
"Erzähle", sprach der Fürst und sprach's voll List,
"Was dir begegnet, seit wir uns verließen!"
Der Arme sann, und seine Augen waren
Wie Kinderaugen, noch vom Traum befangen.
"König, ich bin so weit von euch gegangen,
So vieles sah ich! Und in späten Jahren,
An dunklen Wintertagen und in schwülen
Hochsommernächten will ich dir erzählen
Von allem. Und vor deinen stillen Sälen
Soll meines bunten Lebens Brandung spülen.
Nur jetzt noch laß mich schweigen.
................................................................ Denn ein Gram
Durchrüttelt mich, den nie ein Mensch gekannt.
Sieh, ich verließ mein Weib in jenem Land,
Und weiß es nicht mehr, welchen Weg ich kam,
Und weiß den Namen jenes Landes nicht,
Wo sie im Fenster kauernd, kinderschmal,
Aus dem Kastell hinabspäht in das Tal,
Bis jäh die Felsen glühn im Abendlicht
Und jäh erbleichen. Durch das samtne Dunkel
Der Nacht strahlt freundlich einer Ampel Schein,
Und Führer meiner Wanderschaft zu sein,
Und purpurn glänzt wie ein Rubingefunkel
In ihrem Licht des Bergstroms dunkle Flut.
Sein Name nur? Sehr seltsam klang er, wie
Der Felsen Name, uralt wie auch sie.
Und jene Frau, die mir im Arm geruht, --
Weh, meine Liebe kann sie nicht mehr rufen,
Der süße Laut entglitt mir, wie im Tann
Dem Schlafenden entglitt der Talisman,
Den sie mir umhing auf des Schlosses Stufen!"...
Dann schrie er auf und hielt des Königs Knie
Wie ein um Hilfe Flehender umklammert.
Der sprach, -- und er war bleich und ernst -- : "Mich jammert
Der Qual des armen Narrn, die zu mir schrie.
Magier, tritt vor! Zerbrich des Zaubers Bann!"
Der König wartete. Die Diener liefen
In allen Gängen hin und her und riefen,
Die Ritter sahn sich groß, verwundert an.
Denn keiner fand den Magier. Einge schwuren,
Sie hätten an dem Springbrunn ihn gesehn
Murmelnd die goldne Zauberschale drehn, --
Doch in dem Sande sah man keine Spuren.
Und wie die Stürme auf dem hohen Meer
Das längstverlaßne Wrack des Seglers jagen,
So trieb durch Jahre voller Sorg und Fragen
Erinnerungsqual den Grübelnden umher,
Bis ihn beim Jagen einst ein fremd Geschoß,
Vielleicht aus Mitleid, in die Schläfe traf.
Still wie ein Kind sank er ins Moos zum Schlaf
Und stammelte, eh er die Augen schloß:
"Tamara!" Und er starb.
...........................................Die Zeit verrann.
Doch einmal abends klang im Hof Geklirr
Von vielen Waffen, und ein bunt Geschwirr
Landfremder Sprachen. Und ein brauner Mann,
Sehr alt und fürstlich, dessen welke Hand
Auf seidnem Kissen trug der Herrschaft Zeichen,
Trat vor den König wie vor seinesgleichen
Und rief: "Wo ist, nach dem wir ausgesandt,
Mein König Manuel, Tamaras Gatte,
Den sie in ihrem Felsenschloß beweint?
Westwärts ging ich, soweit die Sonne scheint,
Bis ich zu deinem Reich gefunden hatte.
Hier, sprach der sternenkundige Magier, werde
Ich meinen Herren finden. -- Weise mich,
Daß ich ihn krönen kann!"
.............................................. Da neigte sich
Der König still, griff eine Handvoll Erde
Aus einer Schale, drin die Rosen blühten,
Und wies sie stumm dem Suchenden.
......................................................................Der stand
Ganz lange still. Dann schlug er sein Gewand
Weit um den Kronreif, dessen Steine sprühten,
So schritt er aus dem Saal.
.................................................. Ein Klaggesang
Kam langgezogen, trostlos durch die Nacht.
Dann ein Geklirr und Hufgetrappel, sacht
Und langsam, -- bis auch das im Sturm verklang.
In jener Nacht, bei seiner Kerzen Qualmen
Saß lang der König auf. Sein Page schlief
Und schrak empor, denn eine Stimme rief:
"Sieh, keine Antwort find ich in den Psalmen!
Erbarmer aller Welt, sprich: was ist Schein?"...
Und lange vor dem Kruzifixe stand
Der König starr, mit ausgestreckter Hand. --
So sagt der Page. Doch er ist noch klein,
Furchtsam und hat den Kopf voll Märchenflausen...
syro0 - Mon, 20.08.2007, 19:56