Tuesday, 30. September 2008

Victor Hugo: Quand les guignes...

Quand les guignes furent mangées,
Elle s'écria tout à coup:
- J'aimerais bien mieux des dragées.
Est-il ennuyeux, ton Saint-Cloud!

On a grand-soif; au lieu de boire,
On mange des cerises; voi,
C'est joli, j'ai la bouche noire
Et j'ai les doigts bleus; laisse-moi. --

Elle disait cent autres choses,
Et sa douce main me battait.
O mois de juin! rayons et roses!
L'azur chante et l'ombre se tait.

J'essuyai, sans trop lui déplaire,
Tout en la laissant m'accuser.
Avec des fleurs sa main colère,
Et sa bouche avec un baiser.

Monday, 29. September 2008

nice 'un

"[...] now we are going to be finished off by Fannie Mae.

I don’t even know what Fannie Mae is. Apparently, it’s not a bank and it’s not a building society, but it seems to have been buying mortgages and debts from various institutions. And then, one day, it appears to have woken up and thought: “Oops.” Quite how it was allowed to get in this mess, I’m not sure. Did nobody think it odd that a mysterious organisation was stomping around the world buying debt? Did nobody stop for a moment and wonder if perhaps Fannie Mae was a home for mentals? I mean, we’re talking here about an operation named after the human bottom. How did it sign its deals? With crayons?

Seriously, if I set up a business called Arse and went around buying outstanding loans on the nation’s never-never-land three-piece suites, I wouldn’t get very far before someone with a soothing voice and a corduroy jacket put me in a padded room for the rest of time."

Jeremy Clarkson in der Online-Times

Monday, 22. September 2008

Ah humanity!

"If our young people are toiling their way through their educational careers while reading less than ever before for their own pleasure or enlightenment, why be surprised? No one has ever taught them that books can be read for pleasure or enlightenment—or for any other purpose than to be exposed as the coded rationalization for the illegitimate powers of the ruling classes that they really are."
James Bowman: Is Stupid Making Us Google?

Tuesday, 16. September 2008

Grow old along with me - the best is yet to be

Seit 16. September 2006, also seit genau 2 Jahren, gibt es diesen Blog in seiner derzeitigen Form. Aus diesem Anlaß gibts ein paar der besseren Einträge als Nachlese - witziges, nachdenkliches, zitiertes, Bilder


14.2.07: Endstation, alle aussteigen
4.6.07: So war das doch nicht gemeint
13.11.07: Rephrase, puh-leeze

27.2.07: Erziehungsmaßnahmen
3.10.07: Geisterstunde
19.4.08: What's so funny 'bout that?

12.11.06: Ganz in Grün
30.1.07: Meine Güte, Siegel

24.3.07: Darfs sonst noch was sein?

Monday, 8. September 2008

Satz und Sieg

"The Internet owes its success to two pillars of human activity: masturbation and procrastination."
(Chris Wilson, slate.com)

Wednesday, 3. September 2008

Doppelbelichtungen: What's an ABBA? (Teil 2)

[Anm: der Artikel enthält zwei kurze Clips in mp3 Format aus einem ABBA-Song. Diese sind urheberrechtlich geschützt und von mir nur als Zitate im Sinne des "fair use" verwendet. Es hätte keine Möglichkeit gegeben, den beschriebenen Effekt anderweitig klarzumachen.]
--> zu Teil 1

II: Die Musik

Um eines vorweg klarzustellen: obwohl ich ABBA durchaus mag, kann man mich mit Karaokeversionen, Coverversionen, Musicalversionen und Musicalverfilmungsversionen von überforderten Schauspielern jagen. Für eine Würdigung der eigentlichen Qualitäten von ABBAs Songwriting sollte das eigene Wohnzimmer der beste Ort sein.

Natürlich ist hier nicht der Platz, jede Note und jeden Song der Band zu analysieren, weshalb ich vorhabe, ein paar Beispiele (und diese sehr tendenziös gewählt) aus ihrem Oeuvre zu nehmen (Singles, Albumtracks, B-Seiten), und die spezifische Funktion ihrer musikalischen Eigenschaften zu skizzieren. Eine umfangreichere Arbeit wäre mir nur mittels Scheck eines interessierten Verlages zu entlocken. Trotz des eher bescheidenen Rahmens entgehe ich damit doch den üblichen oberflächlichen Anmerkungen zur Musik: perfekter Gesang, herausragende Produktion, komplexe und innovative Arrangements, usw usf. Alles davon stimmt bis zu einem gewissen Grad, aber mit der einfachen Feststellung ist niemandem geholfen.

Natürlich würde es meist reichen, zur Beurteilung von Popmusik Argumente wie die eben genannten vorzubringen, doch ich möchte darauf hinweisen, daß die meisten davon schon auf den zweiten Blick wenig bedeuten: "Innovativ" im Vergleich wozu? Perfekter Gesang in welcher Hinsicht? Technisch? Emotional? Korrekt intoniert? Und die Produktion - wozu dient diese eigentlich? Zur Replikation der Eigenschaften akustischer Instrumente oder zur Kreation eines eigenständigen Klangbildes? Soll sie exzentrisch sein oder ausbalanciert? Auffällig oder unbemerkbar?

Dem Sinn der Reihe "Doppelbelichtungen" entsprechend möchte ich hier nicht nur Punkte anführen, die im engsten Sinn mit ABBA zu tun haben, sondern auch mit meiner eigenen Musikauffassung. Und obwohl ich für einen guten Beat oder eine eingängige Melodie viel übrig habe, gehen doch die besten Lieder weiter als das und verbinden Text und Musik zu einer Einheit.
Die Betonung von Authentizität in der Popmusik, eines der hartnäckigsten Klischees berhaupt, führt meist dazu, zu übersehen, daß sich die Emotion eines Sängers oder Instrumentalisten nur mittels Tönen und Rhythmus, der Phrasierung und der Intonation äußern können. Die persönliche Erfahrung trägt zweifellos dazu bei, den Kern eines Liedes zu verstehen oder die musikalische Intention besser zu gestalten, aber sie exisitiert nicht abseits eines Stils bzw. einer musikalischen Technik.
Ein offensichtliches Beispiel zeigt dies klar: "Heroin" von The Velvet Underground ist nicht deshalb so überaus gelungen, weil Lou Reed Erfahrungen mit harten Drogen hatte, sondern weil er den Effekt der Droge (für die meisten von uns nicht aus eigener Kenntnis überprüfbar), wenigstens eine nachvollziehbare Auswirkung (in dem Fall jedenfalls keinen schlechten Trip oder eine Überdosis) musikalisch umsetzen konnte: die simple I-IV Akkordverbindung von Reed erscheint durch den Orgelpunkt von John Cales Viola fast bewegungslos - die Percussion ist wie der Herzschlag und das zunehmende Tempo repräsentiert "the smack begin[ning] to flow". Die zyklische Verlangsamung des Songs reicht bis hin in den Text (den Gesang), wo das lang hinausgezogene "I" am Strophenanfang im Gegensatz zu den wortreichen späteren Zeilen steht.
Ich behaupte, daß viele den Song mit diesen Voraussetzungen einigermaßen glaubwürdig herüberbringen könnten. Man hört die Heroinabhängigkeit nicht in einer Performance. Man hört sie Eric Clapton bei "Bell Bottom Blues" nicht an und ebensowenig Ray Charles in "Georgia On My Mind". Case closed.

Ich habe "Heroin" deshalb als Beispiel gewählt, weil man dort die Verbindung von musikalischer und textlicher Aussage nicht übersehen kann. Bei ABBA ist dies meist weniger offensichlich, aber oft genug deutlich nachvollziehbar. Am ehesten könnte man noch die Paranoia von "The Visitors (Crackin' Up)" anführen, wo die Ängste der Protagonistin ("I hear the doorbell ring and suddenly a panic takes me", "none of my friends would be so stupidly impatient") durch Vocoder-Verfremdungen und einen Synthesizer-Teppich verdeutlicht werden, der manchmal (besonders das Riff nach dem Refrain) an Bowie circa Low erinnert. Die modale Melodiegestaltung trägt dazu noch mehr bei. Der mit Stereoeffekten arbeitende und sich bedrohlich aufbauende Vers wird von einem dumpfen (von Björns Stimme dominierten) Refrain abgelöst, der musikalisch ebenfalls keine echte Auflösung erfährt und in dem erwähnten Synthesizerbreak endet - die Anspannung der Musik steht in direkter Verbindung mit der des Textes. Dieser Track allein, obwohl erst auf dem letzten ABBA-Album zu finden, widerlegt deutlich den Verdacht einer allzu einfachen musikalischen Gestaltung.

Überhaupt ist es eins der wesentlichen Kennzeichen von ABBA, daß die Songs nur in seltenen Fällen mit einer einzigen musikalischen Idee (einem Hook, einer Melodie oder einem Riff) aufwarten, und sehr oft mehrere davon zu einem dichten Ganzen verbinden. Hier ist durchaus nachvollziehbar, warum etwa Elvis Costello, der eine ähnliche Arrangiermethode hat, ABBAs Musik etwas abgewinnen kann. Ein hervorragendes Beispiel für diese Technik ist "Take A Chance On Me", wo schon im a-cappella-Intro die Multitrack Stimmen Björns ("Take a chance, take a chance, take a cha-ka-chance-chance...") mit der Refrain-Melodie von Annifrid und Agnetha verbunden werden. Doch statt diese auf das Intro zu beschränken, bleiben sie auch im voll instrumentierten Refrain bestehen, um von einem verhältnismäßig offenen, lockeren Vers abgelöst zu werden, wo jedoch allerlei Instrumente Licks neben der eigentlichen Gesangsmelodie spielen (um von den backing vocals ganz abzusehen). Vielleicht ist es zuviel verlangt, sich dieses Arrangement im Stil einer typischen Rockband vorzustellen, wo vieles von dem, was den Track besonders macht, wegfallen würde. Den Effekt einer solchen Vorgehensweise kann man allerdings auch an "I Have A Dream" erahnen. Dort finden wir nur eine Akustikgitarre (ich vermute, daß es in Wirklichkeit ein paar mehr sind, aber das tut wenig zur Sache), einen unspektakulären Bass, eine Art Synthie-Lick und eine simpel gesungene Strophe, die dreimal beinah identisch (musikalisch gesprochen) vorgetragen wird. Beim ersten Mal von einer einzigen Stimme, beim zweiten von Multitrack-Stimmen der ganzen Band und beim dritten Mal gemeinsam mit einem Kinderchor. Keine Gegenmelodien, keine besonderen rhythmischen Einfälle, unisono-Gesang. Ob dies der einzige Grund dafür ist, sei dahingestellt, aber ich mußte mich sogar zwingen, das Lied für diese Beschreibung erneut anzuhören. Ein absoluter Tiefpunkt in ABBAs Schaffen, eine banale, schmalzige Musicalnummer.

Freilich ist auch die Komplexität der Arrangements keine Garantie für den Erfolg eines Songs. Ich mag den Song "Chiquitita", und viele Ideen darin, liebe geradezu die kleine Gegenmelodie in der zweiten Strophe (clip1 (mp3, 227 KB)), doch fand immer, daß der Stomp des Refrains und die Quinte des Wechselbasses etwas zu plump daherkamen, um ernstgenommen werden zu können. Interessanterweise wurde dies in der spanischen Version (ich glaube, ca. ein Jahr nach dem Original aufgenommen) soweit behoben, daß meine unangenehme Reaktion beinah ausbleibt. (clip2 (mp3, 508 KB)) Im Soundbeispiel finden sich die Versionen chronologisch nacheinander. Der deutlichste Unterschied ist für meine Ohren, daß die Snare auf 3 von der deutlichen Position im linken Kanal (Original) irgendwohin in den Mittelkanal verschwindet, wo sie nicht mehr allzu sehr nach einer Aufforderung zum Mitschunkeln klingt. Hier wird deutlich, wozu die Produktion imstande ist. Eine Veränderung des Mixes allein verändert völlig den Eindruck, den eine Passage in einem Song hinterläßt. Ich wüßte gerne, wie ABBA geklungen hätten, wenn Björn und Benny nicht mitten in die Discobewegung gelangt wären, mit den vielen Synthesizern und den Betonungen auf jedem Beat. Ein paar der frühen rockorientierten Singles lassen es erahnen. Ich möchte nur "S.O.S." zitieren, und "Mamma Mia", vielleicht "Waterloo" (obwohl ich immer fand, daß dem Song etwas fehlt - die Strophe ist eigentlich besser als der Refrain. Ob es ein Zufall ist, daß das Klavierriff daraus später für den Refrain von "Dancing Queen" imitiert wurde?).
Trotz dieser Orientierung am zeitgenössischen Markt ist die Bandbreite ABBAs nicht ganz so schmal wie man es ihnen gerne unterstellt. Vor allem möchte ich noch einmal (und immer wieder einmal) darauf hinweisen, daß "The Essential ABBA" keineswegs nur aus Singles bestehen sollte. Albumtracks wie "If It Wasn't For The Night" oder "Like An Angel Passing Through My Room" sind brillant. Geradezu "versteckte" Aufnahmen wie "Knowing Me, Knowing You", das für "Gracias por la música" 1980 nach fast vier Jahren als "Conociéndome, Conociéndote" auf Spanisch neu eingesungen wurde, überraschen anderweitig: der Song enthält in dieser Version mehr Gitarrenlicks von Lasse Wellander - waren die zuvor weggemischt worden? Angeblich sollen ja keine Neuaufnahmen für die Backingtracks durchgeführt worden sein. Jedenfalls verschaffen sie der E-Gitarre eine Präsenz im Lied, die das bekannte Riff am Ende des Refrains nicht ganz so aus der Luft gegriffen wirken lassen.

Ein letzter Ort, der mittels der Bonustracks der aktuellen CD-Remaster bedeutend näher gerückt ist, und an dem hervorragende Songs zu finden sind, waren die B-Seiten von ABBA-Singles. Ich bin früh mit einer der allerbesten in Kontakt gekommen, "Elaine", der B-Seite von "The Winner Takes It All" und definitiv besser als Seite A. Was war ich froh, als der Titel Anfang der 2000er als Bonustrack erneut erhältlich war. Doch eine weitere, noch herausragendere Nummer war nur die flip side von "Chiquitita": "Lovelight". Einmal mehr finden wir alle oben beschriebenen Eigenschaften, die ABBA trotz aller anderweitigen Bedenken so spannend machen. Gegenmelodien, die stets spannende Kombination von Frauen- und Männerstimmen für die Backing Vocals, und ein Effekt, der unübertroffen ist, und einmal mehr die kompositorische Finesse von Andersson/Ulvaeus beweist. YouTube stellt den Titel zur Verfügung. Ich möchte die erste Strophe zitieren und dabei beschreiben, was musikalisch geschieht. Nach einem triumphanten Intro sinken die Instrumente zusammen zu einem etwas undurchsichtigen Soundteppich aus Baß, Gitarren, Drums und Synthesizern. Perfekt jedoch für die Traurigkeit der ersten Zeile, mit angebrachter beinahe-Teilnahmslosigkeit vorgetragen:


I've always hated my room, it's so gloomy and weary
Always too dark, for the windows just face the backyard

So I...
[die Synthies erheben sich langsam, bringen mit einem Akkordwechsel etwas Bewegung in die Sache]
can't understand how it's happened how everything's changing
This old dirty ceiling seems a little whiter
[ein fröhlicher "doot-doo-doo" Backgroundchor frischt die Szene auf]
When you walked into my room it all got
[und an dieser Stelle wird die Tonart im Bass eindeutig verankert, das Stereospektrum öffnet sich und der Synthienebel zerreißt]
so much brighter

You must have a lovelight - everything around you is lovelight - shining like a star in the night

Wer hier nicht merkt, daß die Sonne zu scheinen begonnen hat, der ist wohl taub für die musikalische Sprache, der sich alle hier mit einer Leichtigkeit bedienen, als könnte man Musik gar nicht anders machen. Das Argument lautet keinesfalls, daß ABBA stets Meisterwerke abliefern, aber daß es in ihrer Reichweite liegt, solche Momente zu kreieren, macht sie für mich interessanter als viele andere Bands, deren Image leichter verdaulich und deren Texte weniger oft peinlich sind.

Friday, 22. August 2008

Doppelbelichtungen: What's an ABBA? (Teil 1)

[Kollege Turntable hat einen kurzen Artikel über ABBA gepostet, worin er u.a. schreibt: "auch wurde von der ersten bis zur letzten single praktisch die selbe masche durchgezogen. experimentiert (sofern überhaupt) wurde maximal auf b-seiten. so kann ich mich auch nicht erinnern, je ein interview mit einem musiker gelesen zu haben, der sich auf ABBA als einfluß beruft". Nun, jedem das seine, aber ich hoffe, mit diesem Essay meine Position zur Band zu verdeutlichen und (im zweiten Teil) wenigstens das Argument mit der "selben Masche" widerlegen zu können.]

Bei den meisten Popbands zählt das Image soviel wie die Musik, wenigstens in den Augen des Publikums. Dieses ist wohl ebensosehr ausschlaggebend für die zahlreichen Genrebezeichnungen wie Nuancen von Gitarrenverzerrung. Akzeptieren wir diese Prämisse, haben ABBA keine Chance. Das grauenhafte Namenslogo mit dem umgekehrten B alleine ist so tacky wie bombastisch (der Gipfel ist wohl das Cover des Livealbums, wo ein gezeichnetes gigantisches Bühnenset aus zwei goldenen As und Bs in pseudo-3D von einer Truppe Roadies aufpoliert wird). Dann die ewige Assoziation mit Discomusik. Dann die Musicals! Vom Film Mamma Mia! ganz zu schweigen. Und die Outfits. Hautenge Jeansanzüge, Polyesterkleider, bis zum Bauchnabel offene Hawaiihemden und Goldkettchen. Zügellose Hingabe zu jeder modischen Schnurre der Siebziger.

Vielleicht ist das alles eher der Hinweis darauf als die Konsequenz davon, daß ABBA P o p sind und nichts anders, aber sich damit abfinden, in einer so ernsten und auf das Image bedachten Welt wie der des seriösen Pop-Hörers ist fast unmöglich. Ein allzu leichtes Gegenbild vom individuell-eklektischen Hörer zeichnet sich ab, der ABBA schon allein deshalb gut finden kann, weil sie so ungeniert und fröhlich der Massenkultur frönen. Wir sind alle Pop, Baby! Unsinn.

Also, was sagen die Musiker? Ihnen können wir uns zuwenden, wenn wir eine Qualitätsgarantie abseits von einem so unzweifelhaft unmöglichen Image wollen (die hohe Schule der überzogenen Selbstironie wie sie in Schwulendiscos gepflegt wird, steigt freilich nur allzu gern auf schlechtes Makeup und Federboas ein - für sie ist ABBA ein gefundenes Fressen).
Ein paar Beispiele:

1. Gene Simmons (in einem Interview mit laut.de):
"In Wirklichkeit sind alle Menschen dreidimensional. Ich bin mir sicher, dass Leute, die sich in der Öffentlichkeit zu Rammstein bekennen, zuhause auch heimlich ABBA hören – weil es einfach gute Musik ist."
ein paar Zeilen später lobt er aber auch noch die Backstreet Boys ("cleveres Songwriting")? Geht das? Kann man das Ernst nehmen? Überhaupt, ist der Bassist von KISS eine glaubwürdige Referenz?

2. Kurt Cobain
Man sagt er mochte ABBA; er engagierte jedenfalls "Björn Again", eine bekannte Tribute-Band als Vorband für Nirvana. Klingt nicht schlecht, hm? (Anm: falls jemand direkte Zitate Cobains kennt, bitte ich um Mitteilung).

3. Pete Townsend

Nannte "S.O.S." immerhin wiederholt die "Beste Popsingle aller Zeiten". Aber ist er nicht seit spätestens 1972 taub? (Es gibt irgendwo einen anderen Beleg als den hier, aber mein Gedächtnis läßt mich im Stich.)

4. Elvis Costello

Der schreibt in den Linernotes zu "Armed Forces" (2002 Deluxe Ed.) immerhin:
Our musical navigation came from the handful of albums about which we could all agree, records to which we listened with a disturbing and almost ritualistic frequency. These included Station To Station, Low, and Heroes by David Bowie [...] The Idiot and Lust For Life by Iggy Pop, Autobahn by Kraftwerk and several early compilations by ABBA - including the Swedish language versions that we contrarily swore were superior to the U.K. releases.
Später spricht er noch von einem "no small debt to ABBA's "Dancing Queen"" im Zusammenhang mit "Oliver's Army". Aber Costello, der alles vom Streichquartett über die Jazz Bigband bis hin zur Kollaboration mit Paul McCartney ausprobiert hat, ist wohl auch keine endgültige Autorität.

5. - jetzt kommt's -
ABBA’s earlier glam-pop had been highly appreciated by leading punk names such as Joey Ramone, Joe Strummer of The Clash and The Sex Pistols’ Glen Matlock – the latter even finding inspiration for his ‘Pretty Vacant’ guitar riff in ‘SOS’
So schreibt Carl Magnus Palm in den Liner Notes zu "ABBA - The Album" (Deluxe Edition), nachzulesen hier
Dazu kommen Bono, Chrissie Hynde usw usf., die alle positiv von ABBA sprechen, Madonna und die Fugees, die als einzige die Erlaubnis bekommen, ABBA zu samplen ("Gimme! Gimme! Gimme!" und "The Name of the Game"). Aber ein Sample ist schnell gefunden und ein paar zentrale Figuren des Punkrock ohne Quellen im Kontext von ABBA-Linernotes zu zitieren ist wohl kaum objektiv. Abgelehnt.

Eine schöne Liste, aber zwecklos. Ich habe versucht, ohne Argumente zu argumentieren, jetzt wird es ernst. Ich gebe zu, ich mag ABBA. Nicht alles natürlich, aber mehr als die zwei drei (acht neun?) bekanntesten Singles allemal. Interessanterweise gibt es kein ganzes Album der Band, das man sich (lies: ich mir) ohne hie und da etwas peinlich berührt zu sein am Stück anhören kann. Gleichzeitig aber kann man diese nicht ohne weiteres abtun. Faszinierende Songs sind auch abseits der Singles zu finden. Betrachten wir also den Katalog ABBAs (ich habe praktisch alles bis auf "Ring Ring" und "Waterloo" zur Hand).

I: Die Texte


Auf diesem Blog gab es einst eine Top5 der schlechtesten Abba-Songzeilen. [*] Kurz darauf einen Beleg, wie wenig ernst die Texte bisweilen in der Band genommen wurden. Aber die Texte wurden auch umgearbeitet, sogar völlig umgekrempelt (wir lesen in
den Arrival-Linernotes, daß "Money, Money, Money" fast "Gypsy Girl" geheißen hätte). Man hat vielleicht den Eindruck, daß es durchaus wirklich gute Songzeilen, oder gar -texte bei ABBA gibt, aber eine Suche beim Lesen der Lyrics führt nicht weit. Weniger wegen der zweifelhaften Grammatik und Idiomatik (daß Manager Stig Andersson Mitte der 70er aufgehört hat, Texte zu schreiben wirkte sich allerdings eher positiv aus) - als wegen eines generellen Mangels an sprachlicher Subtilität: seltsam gefühllose Phrasen ("But I know I don't possess you | So go away, God bless you", aus "My Love, My Life"), Melodrama ("Walking through an
empty house, tears in my eyes [...] In these old familiar rooms children would play | Now there's only emptiness, nothing to say", aus "Knowing Me, Knowing You"), sentimentales Gewäsch ("There's a special love | Like an eagle flying with a dove" in "That's Me"), und endlose Platitüden ("The city's a jungle, you better take care" aus "Tiger"). All diese Beispiele stammen von Songs auf Arrival.

Nur selten werden die Texte spezifisch und nachvollziehbar. Die Zeile "I was sick and tired of everything | when I called you last night from Glasgow" (wohl wegen des Reims mit "last show", aber immerhin) allein etwa gibt "Super Trouper" eine zusätzliche Dimension, die die Vorgänge um vieles glaubwürdiger macht.
Natürlich, man weiß, wovon ABBA singen, unter all der Tollpatschigkeit des Ausdrucks gibt es erahnbare emotional nachvollziehbare Geschichten und Gefühlszustände. Aber das ist nicht das Maß für Songtexte. Wenigstens nicht für mich. Tatsächlich scheint mir dies einer der wesentlichen Gründe dafür zu sein, abgesehen von catchy Melodien und Hooks, daß ABBA so überaus erfolgreich sind. Die breite Masse will ihre Kunst selten allzu kunstvoll.
Aber die wahre Wirkung der Texte entfaltet sich wohl erst in Verbindung mit der Musik selbst - dazu später mehr.

Wenngleich man ABBA den Punkt zugestehen muß, daß viele ihrer Songtitel sehr einprägsam und oft auch suggestiv sind ("Knowing Me, Knowing You", "Does Your Mother Know", "Chiquitita", "Like An Angel Passing Through My Room", "Take A Chance On Me", "The Name of The Game", "The Winner Takes It All"), gibt es doch mindestens ebenso viele die sich kopfüber in einen dunklen Abgrund stürzen: "Put On Your White Sombrero", "Bang-A-Boomerang", "Dum Dum Diddle", "When I Kissed The Teacher", "Hey, Hey Helen", "Lovers (Live A Little Longer)".
Zuletzt - wenn ich mich entscheiden müßte: mein Lieblingstext von ABBA ist sicherlich der von "S.O.S", die beste Zeile vielleicht "Soldiers write the songs that soldiers sing" ("Soldiers"), die charmanteste wohl aus "Thank You For The Music": "Mother said I was a dancer before I could walk."


II: Die Musik


--- natürlich der um vieles interessantere Teil; aus Zeitgründen allerdings erst in einigen Tagen online.

[*] Ich bin nach wie vor mit meiner Selektion einverstanden, auch wenn ich die Beschreibung aus "Lay All Your Love On Me", wie der Mann die Erzählerin herumkriegt einfügen würde: "It was like shooting a sitting duck" (!)

Monday, 28. July 2008

Dämliche Lieblingssätze #2

Endlich eine Kategorie, für die kaum Aufwand betrieben werden muß; lächerliche Sätze, die irgendwie doch was haben finden sich auf Schritt und Tritt, etwa in John Clelands Fanny Hill (1749):
One evening I cannot help remembering, that, returning home from him with a spirit he had raised in a circle his wand had proved too weak to lay, as I turned the corner of a street, I was overtaken by a young sailor. (p. 177)
Das double entendre ist natürlich beabsichtigt, und Fannys Flucht vor der Impotenz des Liebhabers führt zu einer der wenigen humorvollen (und echt witzigen) Sexszenen des Buches, doch die lakonische Koketterie des obigen Satzes gepaart mit der grotesken Metapher und dem geringfügig unglaubwürdigen nauta-ex-machina erreicht einen Gipfel des Lächerlichen.

Wieso zum Teufel funktioniert es aber trotzdem? Zum einen ist da die makellose Kadenz der luftdicht aneinandergereihten Nebensätze: jede geringfügige Änderung zerstört das Satzgefüge; aber auch etwas viel subtileres: der fließende Wechsel der Tonart mitten im Satz.

Der Kontext ist einer der Satire. Man wird annehmen, daß der sexbesessene aber weitgehend impotente Liebhaber, der auf den Seiten zuvor eingehend geschildert wird, im 18. Jahrhundert nicht ganz ernstzunehmen war. Zu deutlich unterscheidet er sich von all jenen kraftstrotzenden Mannsbildern, deren "Waffen" beinahe dem Willen ihrer Besitzer gehorchen. Mit der Matrosen-Episode schließlich verlegt der Autor sich auf die Parodie, wie es scheint. Er treibt die Klischees auf die Spitze, während er dem Leser wohlverdient Humoristisches serviert (die folgende Szene arbeitet vor allem mit der Seemannssprache).

Doch gleichzeitig scheint es, als wäre es die Icherzählerin Fanny selbst, die sich parodiert, denn sie setzt so selbstverständlich mit dem unklaren "I cannot help remembering" ein, als wäre es pure Ironie. Der Leser mag den Eindruck haben, sie erfindet die Geschichte schnell, um von der traurigen Obsession des Impotenten abzulenken. Doch die Sache ist noch komplexer. Der fantastische Aspekt ist freilich schnell ins Spiel gebracht, mit dem Zauberstab und dem magischen Kreis. Die Metapher repräsentiert natürlich vor allem die sexuelle Erregung der Protagonistin, doch ihre wörtliche Bedeutung ist trotz ihrer Lächerlichkeit essentiell für die Passage. Der "spirit", der Geist, der noch nicht besänftigt ist, lockt den Leser innerhalb weniger Momente so weit von seinem Realitätsanspruch weg, daß es ganz natürlich, ja beinahe notwendig erscheint, daß ums Eck ein Matrose wartet, der nun den Exorzismus vornimmt.
Um nicht unkontrolliert ins Profane zu kippen, scheinen die Vergleiche mit einem Kampf auf hoher See, einem Sturm usw beinahe notwendig. Der Text hat zwar in den folgenden Absätzen immer wieder eine realistische Komponente, doch es scheint die Sprache selbst zu sein, die ihr eigenes Spiel spielt: die Parodie, die sich auf diese eine groteske, irreale Szene beschränkt, die kurze Episode eines ungeduldigen Koitus ("canting up my petticoat and shift, [I] bared my naked posteriors to his blind and furious guide. It forces its way between them, and I feeling pretty sensibly that it was not going by the right door and knocking desperately at the wrong one, I told him of it: 'Pooh,' says he, 'my dear, any port in a storm.'" p. 178), nutzt die Gunst des Augenblickes, um ihren Schabernack zu treiben, und verschwindet dann wieder in der teils satirischen teils feierlichen Grundstimmung. Als die Madame des Bordells, wo Fanny arbeitet, sie mit der Gefahr von Geschlechtskrankheiten konfrontiert, ist man jedenfalls endgültig wieder auf dem Boden dieser speziellen Realität angelangt.

(Zitate nach: John Cleland: Fanny Hill. Or, Memoirs of a Woman of Pleasure. Edited with an Introduction by Peter Wagner. London: Penguin 2001)

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roland_and_his_burning_nose - 27. Apr, 21:26
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2009 wird ein Abba museum mit ca. 750 erinnerungsstücken...
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polyphon sogar: ich bemerke erst jetzt einen gewissen...
syro0 - 26. Nov, 15:56
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diesem Hausverstand pfeift doch das schwein! grüße:-)
turntable - 25. Nov, 23:11
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lol!
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roland_and_his_burning_nose - 11. Nov, 18:41
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