Friday, 13. October 2006

Wozu ich mir die Zeit nehme: der Don Giovanni unter René Jacobs

Auch schon eine Woche ist es her, daß Arte den Don Giovanni unter René Jacobs live aus Baden-Baden übertragen hat, eine beeindruckende Aufführung, sowohl der Inszenierung als auch der musikalischen Interpretation wegen.
Ich liebe die anderen Mozartopern, die Jacobs bislang bei Harmonia Mundi France herausgebracht hat, Così fan tutte und Le nozze di Figaro natürlich vor der Clemenza di Tito; mit gemischten Gefühlen hatte ich seinen Don Giovanni erwartet, den ich wegen eines dummen, allzu dummen, mich nun noch mehr reuenden Mißverständnisses nicht schon im August in Innsbruck gesehen habe.
Eine einzige Stelle ist es, die eine Interpretation dieser Oper für mich gut oder großartig macht, sie kommt gleich am Anfang, und bis dahin zitterte ich ein wenig, denn ich wollte Jacobs' Fassung großartig finden, umso mehr, weil bald eine CD Version davon erscheinen soll und es nicht gerade einen Überfluß an hervorragenden Einspielungen gibt (neben der klassischen Giulini-Aufnahme, EMI, ist vielleicht noch der Östman, Decca, akzeptabel, Harnoncourts Einspielung leidet unter unfähigen Sängern [Thomas Hampson als Don Giovanni! Das muß einem erst Mal in den Sinn kommen!], andere sind nicht einmal erwähnenswert).
Nun, die Stelle ist der Tod des Commendatore, wenn auf einmal Mozarts Musik wechselt, vom schnellen hin und her der Degenstreiche (legato-Skalen im Orchester) zum transzendentalen Sechsachtelrhythmus der Sterbeszene, mit dem schon halb aus dem Jenseits erklingenden "Ah! Soccorso!", und den darin untergehenden Sätzen des Don Giovanni.
Jacobs sollte mich nicht enttäuschen. Den ganzen ersten Akt lang hatte ich eine Gänsehaut, so intensiv war die Performance; der zweite war leider etwas getrübt, da in Baden-Baden die (dramatisch schwächere) Wiener Fassung gegeben wurde [Mozart hatte wegen Mißerfolges nach der Prager Uraufführung einige der Arien geändert]; ich hoffe, daß die CD mit der von Jacobs ebenfalls diese Saison aufgeführten Prager Fassung erscheint.
Die Wiederaufnahme des thematischen Materials der Ouvertüre im Finale, als die Statue des Commendatore mit dem albtraumhaften "Don Giovanni! a cenar teco/ m'invitasti/ e son venuto" zum letzten Abendmahl des Titelhelden erscheint, war der letzte Höhepunkt einer großartigen, unvergeßlichen Aufführung.

Eine Lange Liste von Dingen, die ich bloggen würde, falls ich Zeit und Lust hätte, sie auszuformulieren [TEIL 1]

1. Eine 5-Star-Review von Wolf Haas' letztem (es wird langsam unmöglich zu sagen "neuem") Roman "Das Wetter vor 15 Jahren". Besondere Aufmerksamkeit würde der Figur Wolf Haas im Buch gelten, die der Autor notwendigerweise etwas dümmlich anlegt. Respekt vor dieser Konsequenz. Notwendigerweise deshalb, damit im Dialog zwischen der sportlichen [siehe gegoogelte Marathonergebnisse], etwas in kulturjournalistischen Klischees verfangenen Dame von der Literaturbeilage, und dem Autor ein wirkliches Gespräch entsteht, ein hinundherwerfen des sprichwörtlichen Balles; man würde ja nicht wollen, daß eine Interpretin eine Reihe von Beobachtungen über den Roman angibt, auf die der Autor entweder mit JA oder mit NEIN antworten kann/muß. Da ist ein "so hab ich das gar nicht gesehen" durchaus willkommen.

2. Ein Update der Review von ARTANDBARBARISM des letzten Bob Dylan Albums, wo ich auch auf den kleinen Skandal um die textlichen und musikalischen Aneignungen einginge: die beste Arbeit dazu von Eyolf Ostrem, auf seinem Blog

3. Eine Leseempfehlung für J.W.Dunnes Klassiker An Experiment With Time

4. Einen ausgewachsenen Rant über die vielen verdorbenen Lebensmittel die man in letzter Zeit bei BILLA kaufen könnte, wenn man nicht genau schauen würde. Exkurs: das Brot wird wieder teurer.

5. Spinal Tap, vor kurzem etwas geschmäht, haben mich erneut überzeugt, hat keine Viertelstunde gedauert.

6. Ein weiterer YouTube Link. Von Kyle Gann entdeckt, vom Widmungsträger Alex Ross besprochen, von AC Douglas wie gewohnt kulturtheoretisch hinterfragt.

7. [Was ohnehin schon fast zu spät wäre] Ein Bericht über ein Konzert des Ensemble Kontrapunke, unter Peter Keuschnig, im Brahmssaal des Musikvereins, 9. Oktober 06 [Pärt, Gubaidulina, Eisler, Berg, Schostakowitsch]

8. Eine Lobeshymne auf The Lebanon Blues, die bald (19. Oktober, 20:00, Unplugged, Liechtensteinstr. 61, 1090 Wien, 5 € Eintritt) einen Auftritt im Vorprogramm der Band Seas Under Sand haben. Ich war Ende Juni bei einem Auftritt der Lebanon Blues gemeinsam mit letzterer Band Co-Vorprogramm.

UVAM
EDIT: Fig.1
O

Thursday, 12. October 2006

Spinal Crap (?)

Der 1984er Film This is Spinal Tap von Rob Reiner ist durchwegs großartig. Die Schauspieler, die Regie, die Musik.
Wie so oft jedoch trübt einem die zweifelhafte Veröffentlichungspolitik ein wenig die Freude:
Die Band Spinal Tap weitete sich vom ersten Film und dem zugehörigen Soundtrackalbum aus: 1992 gab es ein reguläres Album, Break Like The Wind und einen Konzertfilm, aufgenommen in der Royal Albert Hall in London. Die DVD dieses zweiten Filmes ist schon länger vergriffen und erzielt ansehnliche Preise.

Die "Special Edition" Doppel-DVD von This Is Spinal Tap, wie sie in Europa erhältlich ist, bietet eine Reihe von Deleted Scenes, Musikvideos und einen Audiokommentar. Keine Spur freilich vom zweiten Film.
Nun, nach langer Suche stieß ich auf eine mir bislang unbekannte DVD Box (2003), die nur in Frankreich erhältlich ist: Neben dem Originalfilm und den beiden CDs enthält das im Marshall-Verstärker-Look designte Set eine zweite DVD mit dem Film The Return Of Spinal Tap, einem VH1 "Where Are They Now?" Special aus dem Jahre 2000, und einige weitere Videoclips: nicht aber den Audiokommentar der regulären DVD Release (2004), was aufgrund des früheren Erscheinungsdatums zwar nicht unverständlich, trotzdem aber ärgerlich genug ist.
Die auf YouTube zu findende "Return Of Spinal Tap" in 9 Teilen ist übrigens ein völlig anderer Film as der auf der DVD. Man würde sich wünschen, genauere Informationen über die VÖs zu erhalten. Nach ausführlicherer Beschäftigung werde ich mich erneut über das Thema äußern.

Wednesday, 11. October 2006

ROZ CHAST

Eine der lustigsten Cartoonistinnen der Welt veröffentlicht Ende Oktober einen Band mit ihren gesammelten Werken. Der New Yorker hat ein Interview mit ihr online, das im Rahmen des New Yorker Festivals von Steve Martin geführt wurde.
Das Video ist lang (geschätzte 30 min), aber witzig. Für diejenigen, die sich nicht das ganze anschaun wollen, gibts 3 Highlights, für alle anderen hab ich einen Screenshot, einen Cartoon von Roz Chast:

rozchast1

Tuesday, 10. October 2006

Playlist #4 (10.10.06)

Talking Heads: Speaking in Tongues (2006 remastered version)
ohne weitere Worte

Saturday, 7. October 2006

Lektüre: "Le roman comique" von Paul Scarron (1651-57)

"Je ne vous dirai point exactement s'il avait soupé, et s'il se coucha sans manger, comme font quelques faiseurs de romans qui règlent toutes les heures du jour de leurs héros, les font lever du bon matin, conter leur histoire jusqu'à l'heure du dîner, dîner fort légèrement et après dîner reprendre leur histoire ou s'enfoncer dans un bois pour y parler tout seuls, si ce n'est quand ils ont quelque chose à dire aux arbres et aux rochers"

Ed. Jean Serroy. Gallimard: 1985 [folio] p. 64

[Ich werde Ihnen nicht genau mitteilen, ob er gespeist hat, oder ob er sich zu Bette begab, ohne zu essen, wie es manche Romanschreiber tun, die alle Stunden der Tage ihrer Helden regeln, sie am frühen Morgen aufstehen, ihre Geschichte bis zum Mittagessen erzählen lassen, sehr leicht mittagessen und nach dem Mittagessen ihre Geschichte wiederaufgreifen lassen, oder in einen Wald vordringen lassen, wo sie ganz alleine sprechen, das heißt, wenn sie nicht irgendwas zu den Bäumen und Felsen zu sagen haben.]

Tuesday, 3. October 2006

Chateaubriand

"Ces Mémoires ont été l'objet de ma prédilection: saint Bonaventure obtint du ciel la permission de continuer les siens après sa mort; je n'espère pas une telle faveur, mais je désirerais ressusciter à l'heure des fantômes, pour corriger au moins les épreuves.

Chateaubriand, Avant-propos aux Mémoires d'outre-tombe


[Diese Memoiren waren der Gegenstand meiner Aufmerksamkeit: der heilige Bonaventura erhielt vom Himmel Erlaubnis, die seinen nach seinem Tode fortzuschreiben; ich erhoffe keinen solchen Gefallen, aber ich würde zur Geisterstunde wiederauferstehen wollen, um wenigstens die Fahnen zu korrigieren.]

Vor einigen Tagen

David Copperfield: The Grand Illusion of an Intimate Evening, ähm, nein:

An Intimate Evening of Grand Illusion

Wo? In der Stadthalle Wien
Talk about Etikettenschwindel.

Monday, 2. October 2006

LMAO

"Der 'Erlkönig' ist eigentlich eine Metapher für das Künstlerdasein schlechthin, weil der Künstler reitet auch durch Wald und Wind [...] und das Kind ist die Kunst." - ein Trottel (Bildhauer Gottfried Bechtold) bei Treffpunkt Kultur

Zur Erinnerung:
"... in seinen Armen/ Das Kind war tot."


UPDATE:
Die Sendung ist überhaupt noch dümmer als je zuvor; wie sonst wär's möglich, daß man den Buchbinder zu einer Hommage an Bösendorfer Klaviere interviewt, und im Hintergrund sein Steinway steht, in der Nahaufnahme seiner (?) spielenden Finger das Steinway-Logo des Pianos zu sehen ist. ICK

Sunday, 1. October 2006

YOU CAN START TALKING AGAIN. RECORDING SESSION TERMINATED.

Nachdem ich gestern und vorgestern ein paar technische Probleme hatte, Portrait of the Artist as a Banjo die mich beinah zum Verzweifeln brachten, gelang es mir, heute Vormittag, nachdem ich meinen demokratischen Bürgerpflichten nachgegangen war, den Song I Came For Peace In The Valley von Null auf neu einzuspielen.
Das Ergebnis, dank der selbstlosen Hilfe seitens MART gibts zum Download. (Rechtsklicken, wenn man's speichern will... alter Hut.)

[Link wurde mittlerweile entfernt - Admin.]

Für diejenigen, die sich nicht ins kalte Wasser stürzen wollen, noch ein paar Worte zum Lied. Es ist meine Weiterführung der tagline des alten Country-Standards - "I came for peace in the valley/ But I found the land all plotted out"
Eine zuversichtliche Bridge rundet das Ganze ab. FILE UNDER country-spiritual

NB:
Auch ohne besonderes Equipment lassen sich hörbare Ergebnisse erzielen.
Piano, Electric Piano, Guitar, Bass, Vocals - Daniel Syrovy

Letzte Zeile

Ich habe den Roman Rubè von G.A. Borgese (1921) nicht gelesen, nach den Ausschnitten in einem Skriptum [A.Noe: "Letteratura italiana del Primo Novecento"] zu urteilen (ein leider bisweilen notwendiger Vorgang), werde ich dies auch so bald nicht tun, aber die letzte Zeile ist in jedem Falle wunderbar:

"E non avevano peso le lunghe dita di donna che gli stavano sulle palpebre chiuse."


EDIT (29.3.08):
"so bald nicht" bedeutet circa 540 Tage. Höchst interessant (im Gegensatz zum Roman selber).

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ich verstehe diesen eintrag...
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roland_and_his_burning_nose - 27. Apr, 21:26
dort gibt es zweifellos...
dort gibt es zweifellos weiße anzüge, hawaiihemden,...
syro0 - 18. Dec, 13:00
2009 wird ein Abba museum...
2009 wird ein Abba museum mit ca. 750 erinnerungsstücken...
turntable - 17. Dec, 22:29
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polyphon sogar: ich bemerke erst jetzt einen gewissen...
syro0 - 26. Nov, 15:56
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diesem Hausverstand pfeift doch das schwein! grüße:-)
turntable - 25. Nov, 23:11
très charmant
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gizzy duststar - 17. Nov, 20:25
lol!
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roland_and_his_burning_nose - 11. Nov, 18:41
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danke für die ehre, welche mir zuteil wird. grüße
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